Die Jobsuche in einem Arbeitnehmermarkt ist doch im Grunde wie die Auswahl eines Getränks – in einer Situation, in der man eigentlich eher Lust auf was Leckeres als Durst hat. Denn die meisten Stellen werden derzeit eher durch das Animieren zum Jobwechsel (= Lust auf was Leckeres zu trinken) als durch das Rekrutieren von Arbeitslosen (= Durst) erfolgreich besetzt. Warum zum Teufel aber wird dann nach wie vor nur Wasser angeboten statt Cocktails?
Die Frage begründet sich so: Im gegenwärtigen Arbeitnehmermarkt überbieten sich die HR-Teams gegenseitig mit immer längeren Listen von vermeintlichen Benefits. Hier noch ein Fahrrad, da noch ein Extra-Ausflug und dort noch etwas Gratis-Kaffee. Das soll es schon richten. Und tatsächlich gibt es inzwischen auch HR-Marketingprofis, die eine ganzheitlichere Sicht auf diese “Goody-Kirmes” empfehlen: Gesundheitsmanagement statt Fitness-Studio-Gutscheine und gesundes Wasser gratis. Anlageprogramme statt Waren- und Dienstleistungsgutscheine oder vermögenswirksame Leistungen als finanzieller Zusatzanreiz. Super.
Natürlich haben solche Konzepte durchaus auch Wirkung. Aber sind das wirklich langfristig funktionierende Maßnahmen? Was wollen Sie denn als Arbeitgeber erreichen:
- Dass Sie ständig mit dem Risiko leben müssen, dass der Marktbegleiter ein paar Euro im Monat mehr bezahlt und dort vielleicht sogar der Kaffee aus schickeren Bechern getrunken wird?
- Dass Ihr Fahrradleasing-Deal für die Belegschaft von einem anderen Stellenanbieter gleich um die Ecke durch eine Finanzierungsbeteiligung fürs eigene Elektromoped ausgestochen wird?
- Oder doch lieber das: Dass Ihre Mitarbeitenden keine Lust haben, sich woanders zu bewerben?
Lassen Sie mich raten: Sie sind als Unternehmer*in eher Fan von der dritten Option. Glauben Sie aber ernsthaft, dass der größere Gratis-Kaffee wirklich dauerhaft dazu beiträgt, dass Ihre Leute die Jobs bei Ihnen großartig finden und nie wieder wegwollen?
Zurück zu unseren drei Trinkgläsern im Beitragsbild: Zwei sind mit Wasser gefüllt, eines mit einem sichtbar leckeren Cocktail. Nehmen wir mal sogar an, dass eines der Gläser mit dem so richtig teuren (und nach meinem Dafürhalten schrecklich dummen) “Fiji”-Wasser gefüllt ist – da zahlt man fürs Glas mit 0,33 Litern Inhalt stramme 4,29 Euro. Das qualitativ sicherlich nicht weniger wertige Leitungswasser im Glas daneben ist da schon für unter einem Cent pro Füllung zu kriegen. Trotzdem tun die HR-Marketingleute so, als wäre das Fiji-Wasser genau das richtige, um Mitarbeitende zu finden und zu binden. Letzteres gelingt aber aus vorgenannten Gründen nicht: Denn Wasser bleibt Wasser. Oder, übersetzt: Uninspirierende, unter- oder überfordernde Arbeit bei schlechten Bedingungen mit nicht zur Person des Mitarbeitenden passender Aufgabe bzw. Führung sind ein Grund, sich schnell nach etwas Anderem umzuschauen.
Wenn Sie wirklich wollen, dass Mitarbeitende Ihre Jobangebote toll finden und nie wieder gehen wollen, dann sollten Sie mal die Rezepte für die wirklich zu Ihnen passenden Cocktails rausholen und das Mixen anfangen. Sie brauchen jemanden, der Ihnen dabei hilft? Ich kenne da wen.
Foto: generiert mit Dall-E