Heute habe ich einen Brief vom Finanzamt erhalten, der so losgeht:
„Sehr geehrte Steuerzahlerin,
sehr geehrter Steuerzahler,
das Finanzamt hat Ihnen die Steuernummer XXXX/YYYY zugeteilt. Sie gilt für:
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3. EStG
Bezeichnung des Betriebes bzw. Art der Tätigkeit:
Erbrg.v.andr. wirtsch.Dlg
Bitte geben Sie die Steuernummer an, wenn Sie sich wg. dieses Betriebes an das Finanzamt wenden. (…)“
Ich musste erst einmal überlegen, weshalb mir das Finanzamt nunmehr schon meine dritte Steuernummer verpasst hat, bis mir aufging, dass ich ja vor einiger Zeit einen kleinen, zusätzlichen Gewerbebetrieb angemeldet hatte, der vielleicht irgendwann auch mal Geld abwerfen könnte. Das ist zwar eine völlig andere Geschichte, aber auch die einzige plausible Erklärung für diesen Brief der Behörde. Die Abkürzung „Erbrg.v.andr. wirtsch.Dlg“ hat mir jedenfalls nur im Nachgang geholfen, meine These für den Grund dieses Briefs zu untermauern.
Warum, zum Teufel, steht da in diesem Brief aber nicht einmal ein Betreff mit einem Hinweis, worum es eigentlich geht? Warum muss ich raten, was das Finanzamt dazu bewogen hat, mir dieses Schreiben zu senden? Lustig ist in diesem Kontext die Bitte des Finanzamts, im Kontext meines Gewerbebetriebs künftig immer diese Steuernummer mit anzugeben: „Sie erleichtern uns auch im Zahlungsverkehr die Arbeit, wenn Sie den Verwendungszweck für Ihre Zahlung genau angeben.“
Ach so. Wenn das Finanzamt Geld von mir bekommt, freut es sich also, wenn ich es ihnen leicht mache zu erkennen, warum sie das Geld kriegen. Eigentlich sinnvoll. Komisch, dass diese Idee sich nicht bis in die Briefe der Behörde fortsetzt.
Auch ein schönes Beispiel von heute, diesmal von einer Personalerin, die sich als HR-Influencerin auf LinkedIn betätigt hat und von einem Verfahren namens „BEM“ (= betriebliches Eingliederungsmanagement) berichtet, das für größere Unternehmen vorgeschrieben ist, wenn Mitarbeitende länger krank waren. In Ihrem Post erwähnt die Personalerin, dass die Reaktionen auf Ihr Schreiben unter den adressierten Mitarbeitenden gar nicht mal so positiv war und dass sie das beim nächsten Mal besser machen wolle. Das Ganze kann man auch hier nachlesen.
Was die HR-Influencerin offenbar gar nicht verstanden hat, ist der Umstand, dass sich die Angeschriebenen durch die Art und Weise des Tons ihres – sonst sachlich sicher richtigen – Briefs sowas von nicht gesehen gefühlt haben. Schon der erste Absatz des Briefs, der mit „Hallo <Name>“ beginnt, ist eine verbale Klatsche:
„… wir melden uns heute bei Dir, da Du innerhalb der letzten 12 Monate mehr als sechs Wochen lang arbeitsunfähig erkrankt warst. Wir sind daher gesetzlich verpflichtet, mit Dir zu klären, ob Du Interesse an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) hast (§ 167 Abs. 2 SGB IX). …“
Das Schreiben setzt sich dann in ähnlichem, abweisenden Verwaltungssprech über etliche Zeilen fort.
Wenn man einem Mitarbeitenden den Eindruck vermitteln möchte, dass man ihn zum einen wegen Krankseins auf dem Radar hat, zum anderen einer eher lästigen gesetzlichen Pflicht nachkommt und sich eigentlich in Wahrheit gar nicht für ihn interessiert – ja, dann kann man das so formulieren.
Ich will jetzt nicht die gute, alte Zeit heraufbeschwören, in der alles ja besser gewesen ist, bla-bla-blubb: Solche Schreiben wie die beiden hier als Beispiel angeführten sind eher das Ergebnis eines Festhaltens an der „alten Zeit“ (die zumindest in dieser Hinsicht eher beschissen war). Die beiden Briefe haben eines gemeinsam: Sie zeigen die absolute Unfähigkeit oder den Unwillen des Absenders, sich für eine Sekunde lang in die Situation der angeschriebenen Person zu versetzen.
Gelingende Kommunikation setzt immer voraus, dass man für einen Moment überlegt, was ich mit einer Aussage, einem Brief, einem Appell erreichen will. Im ersten Fall (Finanzamt) ist es der Wunsch der Behörde, dass ich als Steuerzahler dabei helfe, auseinanderzuklamüsern, welche Reichtümer ich durch welche Tätigkeit angehäuft habe. Im zweiten Fall (BEM) geht es eigentlich doch darum, einem inzwischen genesenen Mitarbeitenden ein Angebot zu unterbreiten, ihm / ihr den produktiven Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag zu erleichtern. Wie kann es sein, dass solche Briefe noch möglich sind?
Ganz einfach: Kommunikation wird immer noch als Gebiet für die Marketingfritz*innen gesehen. Dabei betrifft sie eigentlich alle Bereiche. ALLE. Nur wer klar kommuniziert und seine Adressaten auch so erreicht, wie er / sie das beabsichtigt, hat auch eine Chance darauf, zu bekommen, was er / sie möchte.
Leute, schaut bitte drauf, wie Ihr mit anderen sprecht, wenn Ihr was von ihnen wollt. Das Leben wäre für alle so viel einfacher. Für ALLE. Ich kenn‘ da einen, der dafür gute Tipps auf Lager hätte und zeigen kann, wie man’s richtig macht. Echt jetzt.
Foto von Steffen Albrecht auf Unsplash