Als Freiberufler, der ich nun seit ziemlich genau einem Jahr bin, habe ich in Deutschland die Wahl: So kann ich mich aus der gesetzlichen Krankenversicherung verabschieden, mich privat versichern und dort von oft deutlich besseren Leistungen des Gesundheitssystems profitieren. So, wie das viele Unternehmer*innen seit Jahrzehnten bereits tun. Und ebenso könnte ich natürlich auch mit dem Thema Rente verfahren: einfach raus aus dem System, privat absichern, mehr davon haben.
Dass ich das bewusst nicht tue, hat einen Grund: Denn aus meiner Sicht ist der Ausstieg aus den staatlichen Versicherungssystemen in Sachen Gesundheit und Altersvorsorge auch gleichbedeutend mit einer Absage an die Solidarität aller mit allen in unserer Gesellschaft. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass wir alle insgesamt profitieren würden, wenn wirklich jede*r nach seinen / ihren Möglichkeiten in den solidarischen Systemen verbleiben würde und dort entsprechend seines / ihres Einkommens einen angemessenen Beitrag beisteuert. Dass das aktuell nicht nur nicht vorgeschrieben ist, sondern auch noch durch ein eher schlecht gestaltetes und verwaltetes System dafür sorgt, dass Leistungen sinken, während die Kosten steigen, das kann man der grundsätzlichen Idee dahinter nicht anlasten.
Es ist zweifellos an der Zeit, sowohl die Krankenkassen als auch die Rentenversicherung genau unter die Lupe zu nehmen, um diese Systeme effizienter und vor allem klüger auszugestalten. Andererseits muss man auch die Frage in den Raum stellen, welchem Raubtier-kapitalistisch angefressenen Geist der Gedanke entsprungen ist, dass zum Beispiel ein Klinikum Gewinn abwerfen darf, ja es sogar MUSS: Die bestmögliche Gesundheitsversorgung aller ist eines der zentralen Elemente einer solidarisch agierenden Gesellschaft, genauso wie die angemessene Versorgung all jener, die – aus welchen Gründen auch immer – aus dem Erwerbssystem herausfallen. Wer auch nur im Ansatz verstanden hat, wie eine sozial orientierte Zivilgesellschaft funktionieren sollte, kann die Abschaffung dieser Solidaritätsgrundsätze eigentlich nicht einmal in Erwägung ziehen.
Aus diesem aktuell wirklich nicht gut funktionierenden System auszusteigen, ist also durchaus verlockend. Aber es ist auch ein falsches Signal. Nur weil ich etwas darf, muss das nicht bedeuten, dass es auch im Sinne aller und richtig ist. Deshalb bleibe ich weiter in der gesetzlichen Krankenversicherung und bleibe weiterhin rentenversichert, weil ich die Alternativen unter solidarischen Aspekten gesehen schlecht finde.
Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass wir als Gesellschaft alle etwas öfter darüber nachdenken würden, ob wir etwas abseits unseres eigenen Vorteils für alle beisteuern können. Und es dann auch tun. Stop talking.
Foto von Markus Spiske / https://www.pexels.com/de-de/@markusspiske/