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Wer ist schon Anke Engelke, oder: Wovon ich lebe.

Dies ist eine Geschichte zur Frage der Relevanz. Wie Sie vielleicht auch finden werden, ist diese Frage eine von durchaus zentraler Bedeutung. Insbesondere, wenn es um Kommunikation geht. Was Sie wichtig finden, ist für andere vielleicht völlig uninteressant. Was Sie für selbstverständlich halten, ist für andere möglicherweise eine unbekannte Größe. Aber der Reihe nach:

Neulich, auf dem Weg zu meinem Kunden und hinterm Steuer meines Autos, verkürzte ich mir die Zeit mit dem Hören eines Podcasts – tatsächlich war der keineswegs nach fachlichen Kriterien ausgewählt, sondern sollte einfach unterhalten. Kurt Krömers “Feelings”, die Folge mit Jungentertainerin Parshad Esmaeili sollte es sein*: Eine Medienpersönlichkeit, die mir ehrlich gesagt bis dato völlig unbekannt war. Moderator Krömer kannte die junge Frau hingegen und freute sich exzessiv über die Begegnung (das Konzept des Podcasts ist es, dass Krömer mit verbundenen Augen Gäste zugeführt bekommt und nach Ablegen der Augenbinde völlig unvorbereitet einen Talk mit ihnen führen muss).
Im Laufe des jovialen Talks erzählte die 25-Jährige unter anderem auch davon, wie sie ihren Freunden vom bevorstehenden Podcast-Auftritt bei Kurt Krömer berichtet hatte und deren ratlose Fragen, wer das denn sei, mit dem Verweis auf die Amazon-Reihe “LOL” beantwortete, wo Krömer ja zusammen mit Anke Engelke aufgetreten sei. “LOL? Anke Engelke? Wer ist denn Anke Engelke?”, so die weiterhin ratlosen Rückfragen der Altersgenoss*innen.

Drei Jahrzehnte und eine andere Bubble

In meiner Altersgruppe ist Anke Engelke für jede(n), der sich Zeit seines Lebens nicht gerade völlig dem Medienkonsum verweigert hat, eine fast zwangsläufig bekannte Person: jugendliche Moderatorin des Ferien-TV-Programms im ZDF, Sängerin in bisweilen eigenartigen Bands, Comedienne in Formaten wie z. B. RTL Samstagnacht (Ricky’s Popsofa), Ladykracher, diversen Auftritten mit Bastian Pastewka, Schauspielerin (schon die Serie “Das letzte Wort” mit ihr als Trauerrednerin gesehen? Sehr empfehlenswert!) … Ich hör jetzt auf.
Dass aber Menschen, die rund 30 Jahre jünger sind als ich, keinen blassen Schimmer mehr davon haben, wer diese feste Größe in meiner Wahrnehmungswelt wohl sein könnte, hat mich einmal mehr auf die Frage gebracht, wie das denn nun ist mit der Relevanz und der Wahrnehmung dessen, was wirklich wichtig ist in der eigenen Wirklichkeit – schließlich kannte ich wiederum Parshad Esmaeili nicht, was sich angesichts Kurt Krömers Reaktion auf die Begegnung mit ihr wohl eine meiner Wahrnehmungslücken sein dürfte.

Relevanz – ein großes Wort, das so eindeutig in seiner Dimension klingt, es aber bei genauerer Betrachtung nicht ist: Weshalb sind denn in der eigenen Wahrnehmung Dinge wichtig, die anderen völlig egal sind? Die Antwort ist eigentlich simpel: Der eigene Kosmos, die eigene Bubble, das Setting aus eigenen Erfahrungen und Erlebnissen bestimmt, was relevant ist in meiner eigenen Welt. Schließlich trägt jede/-r die eigene Version des Universums mit sich herum: Jeder nimmt die Welt individuell wahr. Mein Rot ist nicht Dein Rot. Mein Streuselkuchen ist Deine Leberwurst.

Dieser Umstand ist es, was das Thema Kommunikation vielen so schwierig erscheinen lässt: Denn in der eigenen Welt sind völlig andere Dinge wichtig als in der Welt meines Gegenübers. Der Zerspaner begeistert sich für Herstellungsprozesse – den Kunden interessiert am Ende aber lediglich das Produkt. Wie es entstanden ist, das ist völlig unerheblich – zur Not kann der Rundbolzen aus Titan auch durch Rundlutschen in den sanften Mündern Allgäuer Färsen entstanden sein. Solange nur die Qualität und der Preis stimmen.

Perspektivwechsel als zentraler Jobinhalt

Mein Job ist es, diese andere Perspektive zu erkennen und die richtige Botschaft daraus zu stricken – und nicht zuletzt auch die manchmal etwas knifflige Aufgabe, meinen Kunden zu vermitteln, warum ich mit einem Kampagnenansatz, einer Kommunikationsidee oder einer Ausrichtung eines Texts einen inhaltlich völlig anderen Weg einschlage als den, den sie sich eigentlich gedacht hatten. Der Perspektivwechsel ist eben manchmal eine schwierige Aufgabe, wenn man sich permanent in der eigenen Welt bewegt und sich dort naturgemäß gut auskennt.
Dass ich mich gelegentlich auf Arbeitswegen auch mal mit Podcasts vergnüge, die auf den ersten Blick so gar nichts mit meiner Arbeit zu tun haben, hat am Ende genau diesen Hintergrund: raus aus der eigenen Bubble, sich mit etwas völlig anderem befassen, sich auf Fremdes einlassen, das erweitert eben doch den Horizont und weitet mittelbar den Blick für den eigenen Job.

Sie selbst müssen das nicht unbedingt tun: Es ist nicht Ihre Aufgabe, sich mit Dingen zu befassen, die Sie auf den ersten Blick in Ihrer Wahrnehmungswelt nicht interessieren. Sie müssen sich nur darauf einlassen können, wenn es darum geht, über Ihre Kommunikation zu sprechen. Wenn Sie das zulassen, ist schon viel gewonnen.

Foto: Martin Kraft, MJK 45312 Anke Engelke (Deutscher Filmpreis 2019), Fragezeichen hinzugefügt, CC BY-SA 4.0

*Die Krömer-Feelings-Folge zum Nachhören auf Deezer (der Streamingdienst mit dem fairen Vergütungsmodell)

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