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Warum das Metaverse nicht disruptiv wird

Mann mit VR-Brille und Kaffeetasse

Nachdem ich nun vermutlich der Letzte bin, der in der Kommunikationsbranche seine Prognose zum Metaverse abgibt, habe ich mir den Luxus erlaubt und gleich auch noch das Buzzword “disruptiv” eingebaut. Was ja per se schon wieder auf eine Runde “Business Bullshit Bingo” schließen lässt. Ich will aber sehr handfest darlegen, warum ich glaube, dass das Metaverse keineswegs zu einem so radikalen Umbruch im Netz führen dürfte, wie uns das aktuell viele Stakeholder glauben machen wollen. Der Grund ist ganz einfach: Es nimmt zu viel Bewegungs- und Aufmerksamkeitsfreiheit.

Schauen wir doch erst einmal auf die aktuellen Nutzerstatistiken für das Internet: So weist Statista* aus, dass 91 % der Menschen in Deutschland voriges Jahr online waren – und 82 % der Deutschen taten das mit einem mobilen Endgerät. Nicht ausschließlich, aber eben zumindest häufig. Was haben diese Menschen denn so gemacht, als sie mit Smartphone oder Tablet mobil im Internet gesurft sind? Was tun SIE denn noch so, wenn Sie mit einem Smartphone online gehen? Genau: Sie sitzen im Café, im Wartezimmer beim Arzt, im Bus oder Zug, auf dem Klo, haben gerade Pause in der Schule oder, oder, oder …

So verschieden die vorgenannten und viele weitere Situationen auch sein mögen, eines haben sie immer gemeinsam: Die Kontexte, in denen heute Internetnutzung stattfindet, sind fast immer solche, die nicht exklusiv nur für das Surfen im Web reserviert sind. Das Umschalten vom Internet zu anderen Formen der Kommunikation, der Interaktion mit Menschen oder mit der eigenen Umgebung ist entweder sehr leicht machbar oder noch nicht einmal nötig: Man kann problemlos essen, während man nebenbei die Timeline im eigenen Social Media Account studiert oder einen Artikel liest, einen Podcast hört oder ein virales Video anschaut.

Machen Sie das doch mal mit einer Datenbrille: Das Metaverse setzt voraus, dass man sich mit einem mehr oder weniger monströsen Gerät vor den Augen einzig und alleine ihm widmet. Und genau hierfür fehlt mir der Glaube: Während die Nutzung des Internets aktuell noch jede Menge anderer, paralleler Tätigkeiten zulässt, wäre das Metaverse als “disruptiver” Ersatz für Social Media & Co. eine Sache, die völlig anderes Verhalten voraussetzen würde. Abgesehen von zahllosen Belegen dafür, dass die sinnvolle Orientierung im realen Raum mit einer Metaverse-Brille vor den Augen so gut wie unmöglich ist, gehen so angenehme Nebenbeschäftigungen wie Essen, Fernsehen oder rechtzeitig aus dem Bus aussteigen, weil die Zielhaltestelle erreicht ist, nicht mehr.

Natürlich bedeutet das nicht, dass virtuelle Realität oder die Augmented Reality nicht ihre Berechtigung hätten: Zu Schulungs- und Trainingszwecken, bei der Anleitung zu Arbeiten in Echtzeit und in vielen weiteren Fällen ist das eine tolle Sache. Aber ein Ersatz für das, was heute die Mehrzahl der Anwendungsfälle im Alltag ausmacht, wird das Metaverse meines Erachtens nicht werden. Dafür steht es sich selbst durch seine Kernanforderung im Weg, dass man sich ausschließlich nur mit ihm befasst.

Foto von Eugene Capon von Pexels

*https://de.statista.com/statistik/daten/studie/13077/umfrage/internetnutzung-in-deutschland-im-jahr-2009/

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