Ältere Leute wie ich leben ja gern vom Ruhm vergangener Tage. Zu meinen Lieblingssprüchen zählt zum Beispiel „Wir hatten ja nix“, und wenn ich den nutze, meine ich den durchaus selbstironisch: Denn das Herumposieren mit dem vermeintlichen Mangel, den man als Kind / junger Mensch erlitten hat, ist natürlich Bullshit. Das damalige Normal war es eben, mit drei TV-Programmen auszukommen, nur Telefone mit Schnur und Wählscheibe zu haben oder die Urlaubsreise im engen und heißen VW Käfer nach Italien anzutreten. Deal with it.
Dass sich die Welt, in der wir leben, permanent verändert und weiterentwickelt (und in den vergangenen 75 Jahren hat sie das bei uns zweifellos durchgehend zum Besseren getan), das ist ein sehr stilles, oft unreflektiertes Glück. Dass Veränderung bisweilen aber auch auf Widerstände stößt, sich die Zeitläufte hingegen einen Dreck um die vermeintlich Konservativen, im Grunde jedoch Rückständigen schert, ist ebenfalls ein Fakt.
“Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt ‘schnellere Pferde’.”
Henry Ford, Automobilhersteller
Dass wir das momentan beim Thema „Sprache“ erleben, ist kein Wunder: Jeder spricht jeden Tag (ob das, was dabei herauskommt, richtig oder gar sinnvoll ist, davon reden wir nun besser nicht). Also sind automatisch alle auch Experten auf diesem Gebiet. Und Expertinnen. Ja, da ist es, das böse „Gendern“.
Warum eigentlich gibt es so viel Widerstand gegen die grundlegende Idee, die deutsche Sprache so zu nutzen, dass sich explizit alle Geschlechter gemeint fühlen? Speziell im Kontext des Employer Branding finde ich es faszinierend, wie sich (angeblich händeringend) nach Personal fahndende Unternehmensabteilungen irritiert zeigen, wenn man sie fragt, warum sie eigentlich in ihren Stellenausschreibungen ohne Not 50 Prozent der potenziellen Zielgruppe Menschheit ausklammern? Warum zum Beispiel suchen Unternehmen nach einem Zerspanungsmechaniker (m/w/d) und nicht nach der Version Zerspanungsmechaniker/-in (m/w/d)?
Jetzt kommt’s: Das generische Maskulinum, das reiche ja schließlich und sei gemeinhin anerkanntes sprachliches Mittel, das immer beide Geschlechter meine. Das wisse man doch. Dass wir hier gefährliches Terrain betreten, das kann man der aktuell an allen (auch an Stammtischen, Facebookforen und Querdenker-Demos) Fronten geführten Debatten zu dem Thema entnehmen. Geschenkt.
Mir ist das am Ende aber wurscht. Ich vertrete die These, dass Sprache auch das Denken mitbestimmt. Wenn sich also manche Frauen damit wohlfühlen, dass sie allenfalls mitgedacht werden, dann ist das deren Problem. So weit reicht mein messianisches Bewusstsein nicht, um auch diese auf den Pfad des rechten Glaubens leiten zu wollen. Dass das generische Maskulinum eher im Volksmund als in der Psyche funktioniert, dazu gibt es inzwischen eine Vielzahl von eindrucksvollen Studien. Oder direkter gesagt: Das Ding bringt’s nicht. Mehr dazu u. a. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Generisches_Maskulinum#Verfehlung_der_kommunikativen_Absicht_und_Uneindeutigkeit
Ich für meinen Teil finde, dass man nicht so fucking faul beim Reden bzw. Schreiben sein sollte. Nur weil es zusätzlichen Aufwand bedeutet, ein wenig exakter zu sein, ggf. anderslautende Emotionen als die eigenen mitzuberücksichtigen und auch sprachlich jene explizit zu erwähnen, die man erreichen möchte, ist doch ein wenig mehr an Aussage kein Fehler. Oder auf andere Art formuliert: Man sollte Sprache schon so benutzen, dass man sich als damit gemeinte Person auch ausdrücklich und tatsächlich gemeint fühlen kann. Wenn das durch schriftliche Lösungen wie die oben Gezeigte funktioniert, ist das ein ebenso sinnvoller Weg wie die explizite Erwähnung gemeinter Personengruppen.
Auf jeder Vereinssitzung wird jede/-r politische Wasserträger/-in, der/die mutmaßlich zum weiteren laaaaangweiligen Fortgang des Abends nichts beitragen wird, namentlich begrüßt. Der Hinterbänkler aus dem Kreistag könnte ja mal die Hand für einen Bauantrag heben, den man selbst wichtig findet. Oder die Hinterbänklerin.
Warum dann aber ausgerechnet da auf potenzielle Bewerberinnen (!) verzichten, wenn es darum geht, für den eigenen Laden Leute zu finden? Das geklammerte “m/w/d” ist keineswegs Ersatz für eine klare Aussage, die man als Unternehmen trifft, wenn es um die Personalsuche geht: Das wurde in erster Linie eingeführt, um zu signalisieren, dass man auch Menschen willkommen heißt, die sich non-binär definieren – es ist also ein technischer Hinweis, kein Ersatz für eine Sprache, die wirklich geschlechtergerecht funktioniert.
Wenn Sie also nach Personal suchen, dann hören Sie doch einfach mal auf, ohne Not einen großen Teil Ihrer potenziellen Zielgruppe nicht anzusprechen: Suchen Sie auch explizit nach (weiblichen) Bewerberinnen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit vielleicht eher gering ist, dass Sie ausgerechnet in klassischen “Männerberufen” welche finden werden.
Warum sie das dann tun sollten? Ganz einfach: Sie erzählen mit diesem kleinen Sprachfitzel, den Sie bewusst an ihre Stellenbezeichnung dranpappen, eine große Geschichte über sich selbst als Arbeitgeber/-in: Denn wenn Sie nicht darauf warten, dass alle anderen es auch machen, sondern sich als ein Unternehmen präsentieren, dass sich bewusst mit dem Thema Gender befasst, signalisieren Sie zugleich, dass Sie an Fortschritt glauben. Auch im Kleinen.
Das bedeutet nun nicht, dass Sie überall mit Binnen-“i”, Gendersternchen oder sonstigem, oft kritisiertem Handwerkszeug agieren sollen. Aber schreiben Sie eben auch mal beide Geschlechtsformen hin, denken Sie beim Verfassen von Texten über die Art nach, wie Sie wirklich alle Mitarbeitenden erreichen und stellen Sie am Ende auch bei sich selbst fest: Sprache formt tatsächlich auch das eigene Denken. Achten Sie mal darauf. Es funktioniert.
Foto: Tim Mossholder @pexels.com